Joachim und Flumi
Joachim Elbing und Flaumur vom Silberberg

Eine Weihnachtsgeschichte


Weihnachtsfeiertag 2010


Draußen scheint die Sonne auf eine dick verschneite Landschaft. Eigentlich zieht es mich nach draußen, aber dies ist eine Weihnachtsgeschichte, darum muss sie heute am 1. Weihnachtsfeiertag aufgeschrieben werden, auch wenn draußen die Sonne scheint.

Es ist die Geschichte unserer alten Krippenfiguren und ich kann sie erst erzählen ab den frühen 60er Jahren, als wir noch richtige Kerzen und einfache silberne Kugeln an einem echten kleinen Weihnachtsbaum hatten.


Untrennbar gehörte in unserer Familie zum Weihnachtsbaum die Krippe, der Stall mit den Krippefiguren, Maria und Josef, Ochs und Esel, Könige und Hirte und natürlich das Jesuskind in der Krippe. Der Stall war ein schlichter Bau, selbst gebastelt aus Sperrholz, mit Modelleisenbahngras beflockt.

Die Bäume wurden größer im Laufe der Jahre, elektrische Kerzen, neue Kugeln, Holz- und Zinnfiguren als Baumschmuck, aber jedes Jahr stand die Sperrholz-Schachtel unter dem Baum, darin die Heilige Familie mit dem Jesuskind in der Mitte.


Es waren keine besonderen Figuren, halt auch schon etwas älter, und irgendwann Anfang der Siebziger wurde eine neue Krippe angeschafft. Große bunte Holzfiguren, dazu ein richtig großer fein geschreinerter Stall, Könige, Kamel, Palme, alles da, dazu ein großer Holzengel, ein Traum von einer Krippe, künstlerisch anspruchsvoll und nicht so kitschig wie die alten Figuren.

Die wurden in Zeitung gewickelt und irgendwo hin weggepackt. Und irgendwann standen sie im Weg herum und irgendjemand trug sie auf den dunklen Dachboden.

Der Dachboden war voller Gerümpel mehrerer Generationen, alles bedeckt von Jahrzehnte alten Staubschichten: alte Lampen, Einmachgläser, kaputte Geräte, alte Betten, alte Stühle, Bücherkisten kurz und gut, das übliche Dachbodengerümpel.


Vielleicht waren die Heiligen traurig, wenn sie merkten, dass es wieder kälter wurde auf dem Dachboden und sie niemand suchte. Aber es konnte sie niemand suchen, sie galten in der Familie als verschollen. Und es brauchte sie auch niemand, die Familie hatte ja neue Krippefiguren.

Der Staub wurde dicker, Jahrzehnte vergingen, Kinder wurden erwachsen, lernten ihren Beruf, das Haus wurde angebaut, umgebaut. Die Oma starb, die vielleicht noch wusste, was in all den Kisten auf dem Dachboden verstaut war. Lauter Dinge, die “man nicht wegwirft”, jedenfalls nicht, wenn man zwei Kriege und die schlechte Zeit miterlebt hat. Wieder verging ein Jahrzehnt. Das Haus wurde renoviert, erst innen, dann außen. Dabei sollte auch das Dach neu gedeckt werden.


Aber zuerst musste der Boden entrümpelt werden. Dort war nichts Brauchbares mehr zu finden, alles zentimeterdick eingedreckt, nein, jetzt war es an der Zeit: weg damit!

Ein großer Container wurde in den Hof gefahren, das Fenster auf und hinein mit dem ganzen Plunder!

Meine Mutter reichte mir damals die ganzen Sachen ans Fenster, ich feuerte sie mit Behagen hinaus. Auf einmal hielt Mutter inne, hatte einen halboffenen Karton entdeckt, auf der Innenseite unterteilt und mit Tapetenresten beklebt. “Das ist meine Puppenstube aus Berlin. Ein Weihnachtsgeschenk während des Krieges, vom Opa selbst gefertigt, gerettet aus dem Bombenhagel….. Nein, so was wirft man nicht leichtfertig weg. Aber wohin damit? Erstmal in einen blauen Müllbeutel, den kleinen Karton, der dabei lag, gleich mit hinein, und dann das Ganze erstmal im Gartengerätehaus geparkt.

Der Speicher wurde komplett geräumt, alles abgefahren, das Dach des kleinen Hauses neu gedeckt, alles isoliert, wie es sich heute gehört.

Das ist nun auch schon wieder einige Jährchen her.

Letzten Sommer regnete es in unserem Gartenschuppen rein und die Dachrinne musste repariert werden. Wir mussten etwas Platz für den Handwerker schaffen und dabei stolperten wir über einen blauen Müllsack mit unbekanntem Inhalt.

Aha, Mutters alte Puppenstube und ein Karton, den wir mal mit nach drinnen nahmen.


Wir fanden unsere alten Krippefiguren, schön in Zeitung gewickelt, die nun nach fast fünf Jahrzehnten Dunkelheit wieder ins helle Licht blinzelten. Sicher erkannten sie nicht nur unser Haus, sondern auch uns nicht wieder. Kein kleiner Junge mehr im Haus, dafür ein unbekannter älterer Herr mit grauem Bart?

Wir wickelten die Figuren aus und stellten sie auf die Anrichte im Esszimmer, einfach weil da gerade Platz war. Vielleicht auch, weil das der Platz ist, wo an Weihnachten unsere Krippe steht. Dort verbrachten sie den Sommer und den Herbst, fast schon wieder vergessen, man hat ja keine Zeit.


Dann wurde es wieder kalt und es wurde wieder Weihnachten. Wir schmückten unseren Weihnachtsbaum, wie immer im Esszimmer.

Schön sieht er aus, unser Baum, mit den wertvollen erzgebirgischen Figuren und den modernen LED-Kerzen.

Was machen wir mit der Krippe? Bauen wir die neuen Figuren auf und lassen die alten stehen? Nein, das geht nicht. Kann ja nicht zwei Jesuskinder geben. Aber nur die alten Figuren auf der Anrichte? Da fehlt ja der Stall.

Ich hole probeweise den Stall der neuen Krippe. Er ist natürlich zu groß und zu modern, aber besser, als in der heiligen Nacht kein Dach über dem Kopf!

Also ziehen die alten Krippefiguren in den neuen Stall.

Wir feiern den Heiligen Abend zu dritt, meine Mutter und ihr Lebensgefährte Ewald, größer ist die Familie nicht mehr.

Die Geschenkepäckchen haben wir unter unserem Baum verteilt, Ewald hat ein großes unförmiges und dick umwickeltes Paket hereingeschleppt.

Wir packen es nicht ohne Mühe aus und hervor kommt ein wundervoller Stall mit Heu und Stroh und einem kleinen Lagerfeuer.

“Eure alten Figuren haben da die ganze Zeit auf der Anrichte gestanden, und ich hab gedacht, die brauchen doch an Weihnachten ein Dach über dem Kopf”.

Und so kommt es, dass die alten längst vergessenen Krippefiguren meiner Kindheit an diesem Weihnachtsfest die schönste Krippe in der ganzen Ludwigstrasse schmücken.





Noch eine Weihnachtsgeschichte:


Die Weihnachts-Krippe von Peppino

Jeder in Watzenborn-Steinberg kennt "Peppino" aus Ischia, eigentlich Giuseppe Mattera.

Etliche Jahre baute er in der Adventszeit eine wunderschöne Krippe

mit Figuren aus seiner Heimat auf, die viele Besucher bewegte:




Bildergalerie von Peppinos Krippe 2011

Bildergalerie von Peppinos Krippe 2009

Bildergalerie von Peppinos Krippe 2007


Am 16. Juni 2017 ist Peppino nach schwerer Krankheit im Alter von 75 Jahren verstorben. 

Seine südländische Gastfreundschaft und die Abende an seiner Krippe bleiben in Erinnerung.